Kraniche: Jetzt kommen sie wieder!
Jeden Herbst erreichen mich als lokalen "Vogelexperten" Anrufe aus der Bevölkerung, die den Kranich oder vielmehr den Kranichzug betreffen. Mal kommen die Vögel zu früh, mal kommen sie gar nicht oder erst im Dezember. Ähnliches, wenngleich weniger intensiv, ereignet sich auch im Frühjahr. Wie auch immer die Antworten auf die Fragen der besorgten Naturfreunde ausfallen, deutlich wird : Der Kranichzug über Stadt und Land lässt die Menschen nicht kalt und es lohnt sich ihn durchs Fernglas näher zu betrachten.
Ihr spektakulärer Zug vor allem am Herbsthimmel macht die Kraniche auch dort zu bekannten Vögeln, wo sie als Brutvögel gar nicht vorkommen. Und ihre Schönheit, ihre spektakulären Balztänze haben sie schon im Altertum zu Subjekten der Mythologie gemacht. Als Vögel des Glücks sind sie in Japan bekannt, den alten Griechen war der Kranich ein Symbol der Wachsamkeit und Klugheit. Eigentlich haben alle Völker, in deren Gebiet Kraniche als Brutvögel oder Durchzügler vorkommen, die großen, "stolzen" Vögel ihren Sagenschatz oder ihre Mythologie aufgenommen.
Der Kranichzug
Tatsächlich ist es so, dass sich die Zeiten des Kranichzugs in Westdeutschland merkbar verändert haben. Der Klimawandel mit oft wärmeren Wintern, der es ihnen erlaubt, länger an den Sammelplätzen in Brandenburg und Mecklenburg zu bleiben, aber auch geänderte landwirtschaftliche Methoden, wie der Maisanbau, der eine Nahrungsgrundlage bis in den frühen Winter hinein schafft, haben ihre Auswirkungen. Letzter, der Maisanbau, hat auch dafür gesorgt, dass die ostdeutschen Rastgebiete Konkurrenz im Westen bekommen haben. In der Diepholzer Moorniederung nördlich des Dümmer im südwestlichen Niedersachsen halten sich zeitweise mehrere Zehntausend Kraniche auf, die auf den abgeernteten Maisfeldern zwischen den Stoppeln nach Körnern suchen. Sie bleiben, teilweise auch bewusst gefüttert, bis der erste Frost ihnen kalte Beine macht. Dann fliegen sie über Frankreich weiter nach Spanien, wo sie neuerdings meist den ganzen Winter über bleiben. Vor allem in der Provinz Extremadura kann man sie dann in Gesellschaft von schwarzen Stieren und manchmal auch Schweinen in den Dehesas, den lockeren Korkeichenhainen, Eicheln suchen sehen.
Wo kann ich den Kranichzug in Deutschland beobachten?
Im übrigen Deutschland, abseits der traditionellen Rastgebiete ist der Kranich nur ein Durchzügler, wenn auch in manchen Gebieten an den sogenannten Zugstraßen ein regelmäßiger und häufiger. Da die genaue Durchzugsroute aber je nach Windstärke und Richtung variiert, kann man sich nicht wirklich darauf verlassen. Und wenn die Kraniche ein paar Kilometer von der üblichen Route abweichen, wird eben der lokale Vogelexperte birdingtours angerufen, weil man sich Sorgen macht. Übrigens kommen auch in den letzten Jahren zunehmend auch süddeutsche Beobachter in den Genuss des Kranichzuges! Vögel, die aus Skandinavien kommend in Ungarn längere Zeit rasten, fliegen vermehrt seit 2018 am Rand der Alpen entlang nach Frankreich und weiter nach Spanien, dabei können sie dann in Teilen von Bayern und Baden-Württemberg und der Schweiz beobachtet werden.
Meist ziehen die Kraniche ohne Pause bis nach Frankreich, wo sie in der Champagne am Lac du Der einen großen Zwischenrastplatz besuchen. Der "Vogelexperte" wird meist angerufen, wenn Kraniche, was in den letzten Jahren öfter vorkommt, erst im Dezember bei uns durchziehen. Oder aber kleine Trupps lassen sich schon Ende Januar oder im Februar auf der Rückreise beobachten.
Wenn Claudia Kleinert in den Tagesthemen die Wetterprognose gibt, und die Temperatur in Nordostdeutschland erkennbar unter Null rutscht, dann könnte es wieder an der Zeit für den Kranichzug sein. Aufmerksam geworden durch das trompetende Rufen können wir am Herbsthimmel die Keile der Kraniche nach Südwesten eilen sehen und kaum einer von uns, der nicht gerne mitflöge.