VÖGEL Chefredakteurin Dr. Nina Krüger im Interview mit birdingtours

Dr. Nina Krüger: VÖGEL-Chefredakteurin im Interview

Dr. Nina Krüger begeisterte sich schon früh für Greifvögel, erlebte eine Entenmutter, die mit List ihre Küken rettete, und setzt sich heute als Chefredakteurin für das Magazin VÖGEL ein. Ihr Tipp für Einsteiger? Einfach rausgehen – es gibt immer etwas zu entdecken. Erfahren Sie im Interview mehr über ihren Werdegang, besondere Naturmomente und aktuelle Trends im Birding.

Frau Dr. Krüger, erinnern Sie sich noch an den Moment, in dem Ihre Begeisterung für Vögel begann? Gab es ein Schlüsselerlebnis?

An ein einzelnes Schlüsselereignis kann ich mich nicht erinnern. Ich bin aber in einer sehr naturverbundenen Familie aufgewachsen und habe viele schöne Erinnerungen aus meiner Kindheit. Ich habe meinen Vater und unseren Nachbarn häufig zur Beizjagd mit dem Habicht begleitet. Das fand ich unglaublich spannend und Greifvögel haben mich sehr fasziniert. Ein Gesamtinteresse an der Natur und ihren Zusammenhängen hat dann später auch zu meinem Biologiestudium geführt.

Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit als Chefredakteurin von VÖGEL am meisten? Gibt es etwas, das Sie jeden Tag aufs Neue begeistert?

Das Besondere an meinem Job sind die vielen unterschiedlichen Menschen, die sich für Vögel, Vogelbeobachtung und Vogelschutz begeistern können. Die Herangehensweisen und Motivationen sind so vielfältig wie die Menschen selbst. Das finde ich spannend. Am allermeisten begeistert mich aber mein Arbeitsplatz, denn ich schaue aus meinem Büro direkt in ein Biosphärenreservat und entdecke auch an den trübsten Tagen immer etwas Interessantes am Himmel.

Nina Krüger erkundet die Vogelwelt Kolumbiens mit Fernglas
Nina Krüger beim Birding in Kolumbien – Copyright: Tim Appleton

Wenn Sie selbst mit dem Fernglas unterwegs sind – welches Vogelbeobachtungserlebnis hat Sie in den letzten Jahren besonders berührt?

Ein einzelnes Erlebnis herauszustellen ist fast unmöglich. Vor der Haustür darf ich fast jeden Tag Besonderes erleben, mal sind es balzende Seeadler, eine jagende Rohrdommel, zankende Spatzen – es hat schon viele wunderschöne Momente gegeben. Das berührendste war aber tatsächlich die Stockentenmutter, die das verwundete Entlein spielte, um einen Mink von ihren frisch geschlüpften Küken wegzulocken – ganz wie im Lehrbuch. Ich wäre selbst fast darauf reingefallen.

VÖGEL ist seit vielen Jahren eine feste Größe für Ornithologen, Birdwatcher und Naturfreunde. Wie hat sich das Magazin über die Zeit entwickelt?

VÖGEL ist seit 2006 – nun also im 20. Jahrgang – auf dem Markt und wurde anfangs von vielen erfahrenen Birdern belächelt und neben den bereits renommierten Fachzeitschriften kaum ernst genommen. Das ist lange vorbei. Mittlerweile ist VÖGEL bei Fachleuten und Laien gleichermaßen beliebt. Ich denke, das liegt an dem ausgewogenen Mix aus tiefgreifenden und leichter verdaulichen Themen und unserem besonders schönen Layout mit vielen farbenprächtigen und großformatigen Bildern. Wir haben unsere Redaktion zudem vor eineinhalb Jahren um einen sehr motivierten Beirat aus Experten erweitert und legen großen Wert auf eine möglichst vielfältige Themenauswahl. Bei uns gibt es für jeden etwas Spannendes zu lesen – egal ob Einsteiger oder alter Hase.

Sie arbeiten mit renommierten Ornithologen und Experten zusammen. Wie finden Sie die Themen für die Ausgaben, und worauf legen Sie besonderen Wert?

Wir haben uns über die Jahre einen Kreis an Autoren aufgebaut, der uns tatkräftig mit Themenvorschlägen unterstützt. Für jedes Heft wählen wir daraus jahreszeitlich passende Beiträge aus, die möglichst viele Bereiche der Ornithologie abdecken und auch aktuelle Entwicklungen und neue Erkenntnisse berücksichtigen. Fachliche Korrektheit ist uns ebenso wichtig wie ein ansprechendes Layout. Vogelbeobachtung lebt von optischen Eindrücken, das wollen wir im Heft wiedergeben.

Nina Krüger beobachtet Vögel auf einer birdingtours Reise in den weiten Landschaften Estlands - ein Bär im Hintergrund
Nina Krüger auf birdingtours-Reise in Estland – Spannender Moment mit Bär. Copyright: Ronny Andersen.

Einsteiger, Hobbyornithologen oder Profis – wie schaffen Sie es, alle Zielgruppen in VÖGEL gleichermaßen zu begeistern?

Wie so oft macht es die Mischung. Wir versuchen, jede Ausgabe so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten und auch komplexe Themen so aufzubereiten, dass sie leicht verständlich bleiben, ohne an Informationsgehalt zu verlieren. Spezialwissen muss nicht trocken oder kompliziert sein, wenn es richtig verpackt wird. Was alle vogelinteressierten Menschen – ganz gleich, ob Profi oder Einsteiger – eint, ist die Begeisterung für die Schönheit der Vogelwelt. Die findet sich in den großformatigen Bildern und der optischen Aufmachung der Artikel wieder. So können wir Menschen mit unterschiedlichem Wissensstand und verschiedenen Interessen in den Bann ziehen.

Welche Themen oder Inhalte kommen bei den Leserinnen und Lesern besonders gut an? Gibt es Trends in der Vogelbeobachtung, die Sie verstärkt im Magazin aufgreifen?

Wir merken immer wieder, dass besonders die heimische Vogelwelt für unsere Leser von großem Interesse ist. Sie wollen wissen, was bei ihnen „vor der Haustür” passiert, was sie ohne große Wege sehen, erleben und verstehen können. Wir bieten in jeder Ausgabe auch Artikel zu exotischeren Themen und Reiseregionen an, meist sind es aber die Vögel, die im europäischen Raum zu finden sind, die unsere Leserinnen und Leser besonders interessieren.

Nina Krüger beim Birding mit birdingtours am Kerkinisee in Griechenland
Nina Krüger beim Birding mit birdingtours am Kerkinisee, Griechenland.

Birdwatching ist in den letzten Jahren immer populärer geworden. Woran, denken Sie, liegt das?

Die Corona-Pandemie mit ihren vielen Beschränkungen hat sicher dieser Entwicklung Vorschub geleistet. Viele Menschen haben sich neue Hobbys und Interessensfelder gesucht und zum Glück das Vogelbeobachten bzw. -fotografieren für sich entdeckt. Vielleicht liegt es aber auch zum Teil daran, dass Wissen immer leichter zugänglich ist. Man muss heutzutage keine dicken Bestimmungsbücher mehr wälzen, um herauszufinden, was da fliegt. Es stehen Apps für schnelle Informationen zur Verfügung, die vielen den Zugang zum Thema erleichtert haben. Und zu guter Letzt hat Birding etwas Meditatives, ein guter Ausgleich zu unserer sehr komplex gewordenen Welt.

Welche Veränderungen oder Herausforderungen sehen Sie für die Vogelbeobachtung in Zeiten von Klimawandel und schwindenden Lebensräumen?

Viele Arten, die früher als Allerweltsarten galten, sind selten geworden. Kiebitz, Rebhuhn, Feldsperling, Braunkehlchen – kaum noch zu finden. Das ist eine traurige Entwicklung. Zeitgleich tauchen bei uns Arten auf, die es hier nie oder nur selten zu sehen gab. Man kann sich nicht mehr uneingeschränkt darauf verlassen, was wir vielleicht vor vielen Jahren einmal über Vorkommen, Verhalten und Lebensräume gelernt haben. Veränderungen gibt es also viele, die Herausforderung besteht darin flexibel und lernfähig zu bleiben. Und sich nicht nur auf das Beobachten zu beschränken, sondern sich aktiv am Erhalt der Artenvielfalt zu beteiligen.

Gibt es eine Vogelart oder eine Region, die aus Ihrer Sicht aktuell besonders spannend für Birdwatcher ist?

Es gibt so viele spannende Vogelarten, da kann ich keine herauspicken. Ich halte aber Regionen für besonders wichtig und spannend, die einen Wandel von der reinen Landnutzung hin zum Schutz von Lebensräumen durchmachen. In Kolumbien habe ich dies am Beispiel von Mirko-Reservaten gesehen. Hier können Vogelbeobachter einen wirksamen Beitrag leisten, Landbesitzer davon zu überzeugen, dass diese Lebensräume noch einen anderen Wert haben als den Preis, den das Tropenholz auf dem Schwarzmarkt erzielt. So kann man das Reisen mit aktivem Naturschutz verbinden – das muss selbst bei Fernreisen kein Widerspruch sein.

Wenn Sie jemandem, der neu in die Vogelbeobachtung einsteigt, einen einzigen Tipp geben könnten – welcher wäre das?

Einfach machen. Das ist glaube ich der beste Tipp. Raus gehen, aufmerksam sein und ein Gefühl für den Atem der Natur entwickeln. Es gibt immer etwas zu sehen oder zu entdecken. Man braucht für den Anfang kein teures Equipment, keinen Club oder Mitgliedschaft, man braucht nur eine kleine Portion Begeisterungsfähigkeit und Neugier. Selbst mitten in der Stadt gibt es Vögel zu entdecken. Wer schnelle Erfolge will, kann sich einer örtlichen Gruppe oder einer spezialisierten Reisegesellschaft anschließen und sich einfach „mitreißen” lassen. Vogelbeobachten ist einfach und das macht es in meinen Augen auch so schön – Birding ist für alle da.

Die majestätische Harpyie, eine der beeindruckendsten Greifvogelarten Mittelamerikas
Die Harpyie – einer der größten Greifvögel Mittelamerikas. Copyright: Pixabay.

Gibt es eine Vogelart, die Sie selbst noch unbedingt einmal beobachten möchten?

Es gibt viele Arten, die ich noch sehen möchte. Die Harpyie ist aber sicher mein Favorit – sie ist so faszinierend wie mystisch. Ich habe in Kolumbien wunderbare Menschen kennengelernt, die sich sehr für den Artenschutz einsetzen und ein einzigartiges Projekt zum Schutz der Harpyie ins Leben gerufen haben. Leider konnte ich diesen majestätischen Vogel noch nie in freier Wildbahn erleben. Das steht ganz oben auf meiner Liste.

In jedem Beruf gibt es Herausforderungen. Was ist die größte Herausforderung in Ihrer Arbeit als Chefredakteurin von VÖGEL?

Die Herausforderung besteht vor allem darin, den digitalen Wandel zu meistern. Wir sind als klassisches Printmagazin im Special-Interest-Bereich noch wenig davon betroffen und dürfen uns entgegen dem aktuellen Trend seit Jahren über steigende LeserInnen-Zahlen freuen. Wir spüren dennoch, dass sich viele Unternehmen in der Branche zunehmend auch andere Formate wünschen. So haben wir vor zwei Jahren einen heftbegleitenden Podcast gestartet, der nun monatlich erscheint und großen Zuspruch findet.

Birdingtours und VÖGEL teilen die Leidenschaft für Vögel und Natur. Welche Rolle spielt für Sie der Austausch mit Organisationen, Reiseanbietern und der Community?

Der Austausch spielt für uns eine bedeutende Rolle, denn nur so können wir unser Angebot auch nach den Interessen der Leserinnen und Leser gestalten und bleiben auf dem neuesten Stand. Gerade das Begleiten von Reisen und der intensive Austausch mit Gleichgesinnten hat mir schon viele Denkanstöße und Themenideen beschert. Auch die Kontakte, die man so knüpft, haben sich schon oft zu fruchtbaren Kooperationen entwickelt.

Nina Krüger beim Birden mit birdingtours. Mit Wasservögeln und Krauskopfpelikanen am Kerkinisee in Griechenland
Nina Krüger mit birdingtours am Kerkinisee – umgeben von Krauskopfpelikanen.

Zum Abschluss: Wenn Sie einen Wunsch für die Zukunft der Vogelbeobachtung äußern könnten – welcher wäre das?

Mein Wunsch wäre, dass uns mindestens die jetzige Artenvielfalt erhalten bleibt, dass nicht noch mehr Arten der intensiven Land- und Ressourcennutzung zum Opfer fallen und sich noch viele Generationen an einer artenreichen Vogelwelt erfreuen können. Meine Kinder zeigen jetzt schon großes Interesse an der Natur. Ich wünsche mir, dass es für sie im Erwachsenenalter noch genug zu sehen und zu erleben gibt.



Wir bedanken uns bei der VÖGEL Chefredakteurin Dr. Nina Krüger für das großartige Interview und das Bereitstellen der wunderschönen Bilder. Zur Webseite von VÖGEL geht es hier.

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