Frühling: Meisen kennenlernen...
Wer das Verhalten der Meisen kennenlernen will, sollte einen Nistkasten aufhängen. Um die Aufzucht der Jungen miterleben zu können, ist kein großer Garten nötig. Auch eine Ecke auf dem Balkon kann für einen Nistplatz der putzigen Vögel ausreichen. Sogar eine Fensternische im dritten Stock kann unter Umständen den vielerorts unter Nistplatzmangel leidenden Meisen genügen.
Sechs echte Meisen kennen wir in Deutschland. Neben den häufigen Blau- und Kohlmeisen sind das noch die Zwillingsarten Sumpfmeise -- aus den Mischwäldern und Parks -- und Weidenmeise - aus Auwäldern und feuchten Baumbeständen – sowie die beiden an Nadelbäume gebundenen Arten Tannen- und Haubenmeise. Den Namen "Meise" tragen auch noch Beutelmeise, Schwanzmeise und Bartmeise, die aber mit den eigentlichen Meisen nicht näher verwandt sind.
Unbekanntes und Erstaunliches über Meisen...
Die eigentlichen Meisen haben sich da, wo sie gemeinsam einen Lebensraum bewohnen, die Nahrungsbasis aufgeteilt, um einer unfruchtbaren Konkurrenz zu entgehen. Bei den Kohl- und Blaumeisen unserer Gärten kann man das schön beobachten. Kohlmeisen sind kräftiger, haben einen stärkeren Schnabel und wühlen gar nicht so selten auf dem Boden im Laub, um hier nach Larven, Würmern, Spinnen und Sämereien zu suchen. Sie können auch harte Samenkörner öffnen. Dabei setzen sie ihren derben Schnabel als Hammer und die Füße zum Festhalten ein. Sie suchen in den Baumborke nach Nahrung, stemmen mit den Schnäbeln die Rinde ab und lassen sich in manchen Großstadtparks aus der Hand füttern.
Ganz anders die Blaumeise: Sie ist leichter und zierlicher als die größere Verwandte und nur selten einmal auf dem Boden zu sehen. Als leichtgewichtiger Kletterer kann sie sich noch an dünnsten Zweigen halten und dort nach Blattlauseiern suchen. Blaumeisen setzen ihren zarten, kegelförmigen Schnabel selten als Meißel ein. Viele Samen, wie zum Beispiel Sonnenblumenkerne, werden mehr aufgebissen als durch Schnabelhiebe aufgesprengt. Sie haben eher die Nische der Zweigkletterer besetzt als die stärkeren Kohlmeise, die als "Universialmeise" fast überall zu Hause ist und zurecht kommt; mal nach Finkenart Sämereien vom Boden aufliest oder nach Art der Drosseln im Laub herumstöbert.
Blaumeisen nutzen sogar die Blüten von Pflanzen. In England konnte nachgewiesen werden, dass die Blüten von Weiden – die Weidenkätzchen – eine bedeutende Vorfrühlingsnahrung für die Blaumeisen darstellen, denn dann sind meist die Sämereien am Ende des Winters knapp geworden und Insekten noch nicht ausreichend zu fangen. Bei dem Verzehr von Pollen und Nektar tragen die Meisen nicht unerheblich zur Bestäubung (Ornithophilie) der Blüten bei.
Ein ähnliches aber weniger rücksichtsvolles Verhalten wurde in Niedersachsen beobachtet. Dort pflückten Blaumeisen Blüten der Vogelkirsche und stachen mit dem Schnabel in die Blüte, um den Nektar zu trinken. Während im ersten Jahr nur zwei Vögel beim "Nektarklau" ertappt werden konnten, waren es im folgendem Jahr schon vier Vögel, die diese neuentdeckte Nahrungsquelle nutzten.
Möglicherweise hatten die Vögel voneinander gelernt. Ein Nachahmungslernen, das in einem noch spektakuläreren Fall aus England berichtet wird. Dort lernten Blaumeisen, die Aluminiumdeckel von Milchflaschen zu öffnen, um an den Rahm zu gelangen, der sich im Flaschenhals abgesetzt hatte. Dieses Verhalten verbreitete sich zum Verdruß der Milchmänner und Corn-Flakes-Enthusiasten im Laufe weniger Jahre in allen Kohl- und Blaumeisenpopulationen Englands. Durch Nachahmung können die Vögel schnell und effektiv neue Nahrungsquellen nutzen. Im Garten kann man dieses Verhalten durch den Bau von Fütterungsautomaten experimentell nachvollziehen. Erdnüsse in Streichholzschachteln verpackt, werden in den unterschiedlichsten Kombinationen erfolgreich gefunden und verspeist. Die Meisen gehen dabei so zielsicher, geschickt und gleichzeitig anmutig vor, dass die BBC darüber einen eigenen Fernsehfilm "Bird Brain of Britain" produzierte.