Jakob Wildraut - Vogelwart auf Trischen

Jakob Wildraut - Vogelwart auf Trischen

Ein Interview mit dem einsamsten Vogelfreund der Nordsee

Jakob Wildraut auf Trischen mit Vogelbeobachtungshaus

Die Insel Trischen ist eine kleine Insel in der Nordsee, die zur deutschen Nordseeküste gehört. Sie liegt im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und ist bekannt für ihre reiche Vogelwelt. Trischen ist nicht dauerhaft bewohnt, sondern wird jedes Jahr von einem Vogelwart oder einer Vogelwartin betreut, die für den Schutz und die Beobachtung der Vogelpopulationen zuständig sind.

In diesem Interview, das von Paul Stoll geführt wurde, teilt Wildraut Einblicke in die Zählung und Beobachtung der zahlreichen Vogelarten, seine Verantwortung für den Naturschutz und seine einzigartigen Begegnungen mit seltenen Vögeln. Erfahren Sie mehr über die wichtige Rolle eines Vogelwarts und die Schönheit des Wattenmeers, die Trischen zu einem unverzichtbaren Rast- und Brutplatz für Zugvögel macht.



Du warst die letzten zehn Jahre in Freiburg. Was hat dich nach Trischen verschlagen?

Nach der Schule war ich schon mal an der Küste und habe für die Schutzstation Friedrichskoog ein Jahr ein FSJ gemacht. Dabei habe ich den damaligen Vogelwart auf Trischen kennengelernt und fand seine Arbeit faszinierend. Das hatte ich immer im Kopf.

Seit wann bist du auf Trischen?

Seit dem 21. März 2024.

Also noch einige Zeit vor dir?!

Ja, mehr als die Hälfte ist schon vergangen.

Was sind die Hauptaufgaben eines Vogelwarts?

Der Hauptfokus liegt auf den Vögeln. Wir machen Brutvogelkartierungen und zählen Rastvögel. Es gibt hier mehrere hunderttausend Rastvögel und zig Paare Brutvögel von rund 30 Arten.

Wie zählt man diese Vögel?

Das machen wir in Zehnerschritten, dann durchklicken und steigern.

Jakob Wildraut Trischen beim Arbeiten

Welche Vögel sind hier am häufigsten?

Bei den Brutvögeln sind es die Silber- und Heringsmöwen mit jeweils etwa 1.800 Paaren, Flussseeschwalben mit ein paar hundert Paaren und Austernfischer. Bei den Rastvögeln sind es ebenfalls Austernfischer, Alpenstrandläufer, Eiderenten und Brandgänse, die hier mit zehntausenden Vögeln rasten und mausern.

Gibt es hier auch besondere Vogelarten oder nur die Allerweltsvögel?

Bei den Brutvögeln haben wir eine große Löfflerkolonie, die größte in Schleswig-Holstein, und die Zwergseeschwalbe brütet hier auch. Außerdem beobachten wir seltene Vögel wie den Brachpieper, die Rothalsgans und den Ziegenmelker.

Rotschenkel auf Trischen

Bist du dann auch nachts unterwegs?

Nein, der Ziegenmelker war tagsüber unterwegs. Er hat unter der Hütte geschlafen und ist dann an den Strand geflogen.

Du bist ja alleine auf der Insel. Sind die Vögel vertrauter zu dir als anderswo oder genauso scheu?

Auffällig sind die Singvögel, die hier rasten. Sie kommen auf die Hütte und sind sehr zutraulich, manchmal fliegen sie sogar in die Hütte. Die Brutvögel sind dagegen sehr scheu, deshalb gibt es auch strenge Betretungsverbote.

Du hast also viel Verantwortung und gut, dass nur du da bist?

Ja, viele Bereiche werden auch gar nicht betreten, erst im Spätsommer.

Jakob Wildraut Trischen Vogelwart einsamer Strandläufer

Kannst du überhaupt noch Vögel sehen, oder willst du mal wieder in die Stadt, ins Café?

Vögel zu beobachten macht mir noch großen Spaß! Es ist sehr dynamisch und immer gibt es etwas Neues. Heute habe ich zum Beispiel die ersten Möwenküken gefunden. Es bleibt spannend. Nur mal essen gehen und nicht immer selber kochen wäre auch ganz schön.

Was kochst du denn immer?

Ich koche fast nur italienisch, mit dem Kochbuch, das ich zu Weihnachten von meiner Mutter bekommen habe. Ich bin damit ziemlich zufrieden.

Bekommst du wöchentlich Nachschub per Postschiff? Wer kauft für dich ein und wie kannst du bestellen?

Das ist ein Bioladen in Büsum, die nächstgrößere Stadt. Ich schreibe eine Mail hin und die liefern dann zu Axel, meinem Versorger, der es zu mir bringt.

Jakob Wildraut Trischen Vogelwart Boot

Bist du nur alleine auf der Insel oder bekommst du auch Besuch?

Mittlerweile waren schon vier Mal Leute da, die unterschiedliche Einsätze hatten. Beispielsweise hatten wir mal eine Ratte auf der Insel, was eine große Bedrohung war.

Ratten?

Ja, eine Ratte.

Und was war mit der Ratte, warum muss die weg?

Wanderratten breiten sich stark aus und sind auf einigen Inseln und Halligen ein großes Problem. Sie richten großen Schaden an, beispielsweise in Neuseeland, wo sie große Bestände auslöschen. Sie gehen an die Eier, die Küken und sogar an die Altvögel und vermehren sich schnell. Die Vögel hier sind das nicht gewohnt.

Das heißt, du bist der Rattenfänger von Trischen?

... (Schweigen) ... Kann man so sagen, den Titel habe ich jetzt schon mehrmals bekommen.

Zurück zu den Besuchern, wer war noch da?

Letzte Woche waren Leute da, die mit einer Drohne geflogen sind, um einige Arten zu erforschen, und ein Käferforscher war auch da.

Drohnen – stört das die Vögel nicht?

Ehm, doch, muss man schon sagen. Aber es war eine Person dabei, die ein Störprotokoll führt, und die Drohne fliegt ziemlich hoch. Die größte Störung war eher bei den Rastvögeln, die Brutvögel waren entspannter. Es war nur eine Stunde und sollte nicht zu oft gemacht werden.

Ich sehe schon, dein Blick geht aus dem Fenster, du siehst doch schon wieder einen Vogel!

Ja, die ersten Stockenten des Tages!

Wie kommst du mit deinem ganzen Ruhm zurecht? Ich habe gesehen, dass du viele Interviews gegeben hast, beispielsweise für Bild oder GEO.

Ja, das macht mir Spaß. Ich finde es schön, darüber zu teilen, was ich hier erlebe. Es ist mir ein Anliegen, darüber aufzuklären, wie schützenswert das Wattenmeer und die Inseln sind. Öffentlichkeitsarbeit gehört auch irgendwie zu meinem Job. Es ist aber schon ein komisches Gefühl, alleine auf der Insel zu sitzen und zu wissen, dass hunderte Menschen über dich lesen.

Was machst du als Erstes, wenn du wieder auf dem Festland bist?

Ich freue mich auf einen Wasserhahn mit richtig lang laufendem warmem Wasser, vielleicht sogar eine Dusche. Das vermisse ich ein wenig, einfach Wasser in der gewünschten Menge und Temperatur zu haben.

Verrückt! Du hast also kein Wasser in deiner Hütte?

Doch, ich habe Regenwasser zum Spülen und Duschen. Trinkwasser bekomme ich wöchentlich mit dem Boot, etwa 50 Liter. Die Hütte ist gut ausgestattet, aber schon sehr basic.

Jakob Wildraut Trischen Vogelwart Robbe

Wo geht es nach Trischen hin?

Nach Freiburg.

Und wenn du entscheiden müsstest – Trischen oder Schwarzwald, was würdest du wählen?

Schwierige Frage. Ich wohne seit zehn Jahren im Süden mit meinem Umfeld und Freunden, die würde ich sehr vermissen. Aber die Natur hier oben ist reizvoller und es gibt spannendere Jobs.

Du bist ja auch Reiseleiter bei Birdingtours seit 2023. Was für Reisen leitest du?

Ich stehe noch am Anfang. Im Kaiserstuhl habe ich eine Tour, das möchte ich weiter machen. Schwarzwald wäre auch toll. Im Winter geht’s mit Birdingtours nach Teneriffa. Ich könnte mir auch vorstellen, weitere Ziele anzubieten, beispielsweise das Wattenmeer. In meiner Heimat Westfalen könnte auch was gehen. Eine Region, wo ich schon war, ist Kirgistan, da möchte ich gerne eine Reise leiten.

Wir sind am Ende angekommen, vielen Dank. Du hast gesagt, du hast einen eigenen Blog, wo man immer über dich nachlesen kann?

Ja, hier ist der Link zu meinem Blog bei Nabu.

Gehst du heute nochmal raus?

Nein, es ist ziemlich grau draußen, nutze das für Internetarbeit und Haushalt.


Das Interview führte Paul Stoll. Vielen Dank an Jakob Wildraut für das Interview und die Presse Trischen für das Bildmaterial.


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