Lou Bertalan - Der Vogelexperte von birdingtours im Interview

Der Vogelexperte Lou Bertalan im Interview

Von einem schlauen Zwergschnäpper, der sich vor einem Baumfalken versteckt, bis zu birdingtours in Zentralasien: Lou Bertalan teilt einmalige Eindrücke, seine Liebe zu Möwen, Herausforderungen im Naturschutz und vieles mehr zum schönsten Thema der Welt.

Vogelexperte Lou Bertalan beim Birden mit Gruppe

Hallo Lou, danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst! Wir möchten dich als den Experten von birdingtours vorstellen und direkt mit einer lockeren Frage starten: Hast du eine kuriose oder lustige Vogelbeobachtungsgeschichte, die dir in Erinnerung geblieben ist?

Da fallen mir natürlich einige ein, darf ich zwei erzählen? Also: ich liege im Schlafsack unter freiem Himmel nach einer kurzen Nacht, das Schwarze Meer rauscht gemächlich im Hintergrund. Noch halb träumend nehme ich meinen Freund Jozsef wahr, der zu mir spricht: „Hier hast du einen Kaffee, hier hast du eine Kippe und hier hast du ein Fernglas.“ Ich reagiere mürrisch murmelnd und versuche, die Augen aufzukriegen. „Und hier hast du deinen Lifer.“ Ich steh sofort senkrecht, noch im Schlafsack, und guck in die Richtung, in die er zeigt: Im Morgengrauen jagt eine männliche Steppenweihe zwischen den Dünen – der Tag ist gerettet!
Nummer zwei: Auf der Nehrungshalbinsel Sacalin im südlichen Donaudelta (komplett baumlos, nur Sand und Strandkräuter) verfolgt unsere Birdingtours-Gruppe mit angehaltenem Atem und hochgehaltenen Gläsern, wie ein Baumfalke dicht hinter einem armen Zwergschnäpper herjagt, gleich hat er ihn, obwohl der Kleine irre Haken schlägt, das alles spielt sich in allernächster Nähe ab. Plötzlich dreht der Baumfalke ab und der Zwerg ist weg. „Wo ist denn der Schnäpper hin?“, frage ich. Da tippt mir jemand vorsichtig auf die Schulter und zeigt – senkrecht nach unten: Der schlaue Zwergschnäpper hat in höchster Lebensgefahr unsere Gruppe als Deckung genutzt und sitzt 5 Zentimeter neben meinem Schuh auf dem Boden.

Wenn du eine beliebige Vogelart für einen Tag sein könntest, welche würdest du wählen und warum?

Eine Dohle (stellvertretend für alle Rabenvögel). Die spielen aktiv und probieren alles Mögliche aus. Sie genießen offensichtlich ihre Flugakrobatik, sind sehr sozial und kommunizieren viel mit ihren Artgenossen. Ich mag auch ihre hellen Augen.

Welches Buch über Vögel würdest du jemandem empfehlen, der gerade erst mit dem Birden anfängt?

Da bin ich konservativ: natürlich den „Svensson“, sprich, den Kosmos-Vogelführer – das beste Bestimmungsbuch der Welt. Mit weniger als dem Besten diesbezüglich würde ich gar nicht anfangen.

Du bist in Stuttgart zu Hause. Was hat dich ursprünglich in diese Region gebracht, und was magst du besonders an ihr?

Das Theater, in dem ich seit über einem Vierteljahrhundert auf der Bühne stehe. Da hatte ich mich 1997 erfolgreich beworben. Viele meinen, Stuttgart wäre hässlich. Und hat durch die Kessellage eine der höchsten Feinstaubwerte Deutschlands. Aber die Stadt ist vielfältig, was Kultur und Natur anbelangt: Allein auf dem Stadtgebiet lassen sich viele seltene Arten beobachten und die Landschaft mit ihren Streuobstwiesen an den Hängen der Schwäbischen Alb, den Keuperschichtungen am Neckarufer und manchen Wäldern mit sehr alten Eichen ist durchaus ansprechend.

Wie hat dich deine Zeit als Bühnenschauspieler geprägt – hat sie Einfluss auf deine Arbeit als Reiseleiter oder Experte?

Das Theater ist, wie auch die Ornithologie, eine Berufung, d.h. ich mache das, was mich erfüllt. Und klar hilft mir die Erfahrung als Schauspieler für die Reiseleitung – ich weiß, wie ich zu kommunizieren habe, wie ich präsent sein kann und auch das Multitasking sowie eine erhöhte Aufmerksamkeit wird in dem Beruf ja ständig geübt. Das mit dem „Experten“ würde ich jetzt aber gerne mal tiefer hängen (der Begriff wird heute inflationär verwendet). Ich kenn mich sicher allgemein gut aus in der Ornithologie, aber Experte bin ich höchstens bei den Möwen.

Lou Bertalan analysiert Vögel in ihrem natürlichen Lebensraum

Was macht einen wirklich guten Vogelbeobachter aus? Gibt es eine Fähigkeit, die besonders wichtig ist?

Genaues Hinsehen und schnelles Erfassen von winzigen Details, das macht die Erfahrung. Geduld und Beharrlichkeit. Die Bereitschaft, auch Bereiche anzugehen, die einem persönlich schwerer fallen wie z.B. das Einschätzen der Handschwingenkerbungen in Fotos von Grasmücken oder Laubsängern. Musikalität – aber auch hier, die Bereitschaft, genau und immer wieder hinzuhören, bis man beispielsweise die Rufe der zwei Goldhähnchenarten oder der beiden Baumläuferarten „intus“ hat (das fällt mir persönlich eher leicht). Nicht zuletzt ist Intuition ein entscheidender Faktor bei erfahrenen Birdern – der Gesamteindruck von einem Vogel ergibt sich aus allen bereits gespeicherten oder schon gemachten Erfahrungen. Um diese Erfahrung zu erlangen: viel Lesen und viel eigenes Beobachten – natürlich kann man dabei Riesensprünge machen, wenn man mit einem guten Birder unterwegs ist, der einem vor Ort Tipps zur Bestimmung gibt. Das sehe ich auch als eine der Hauptaufgaben von Birdingtours-Reiseleitern.

Welche Gegenden in Europa oder der Westpaläarktis und deren lokale Arten kennst du besonders gut? Gibt es Regionen, die du noch gerne erkunden würdest?

Ich war in den meisten Ländern Europas, und kenne da eigentlich alle Vögel. Besonders häufig war ich in den Mittelmeerländern und in Südosteuropa. Aber es gibt schon noch weiße oder „graue“ Flecken in der Landkarte: die Britischen Inseln, Island, Israel und Jordanien. Und in Nordafrika war ich nur einmal in Marokko und einmal in Ägypten, da gäbe es also auch noch viel Neues zu sehen.

Welche Vogelarten haben dich dort besonders beeindruckt oder vor Herausforderungen gestellt?

Die Weibchen der Grasmücken aus dem Mittelmeer sind immer wieder eine große Herausforderung. Auch die Gesänge der südlichen und östlichen Grasmücken müssen immer wieder trainiert werden, die sind nicht einfach zu unterscheiden. Beeindruckt haben mich überall spannende Vögel, da ist jedesmal was dabei. Von der Prachteiderente in der Barentssee im Norden bis zum Korsenkleiber im Süden, vom Iberienadler im Westen bis zum Schieferfalken im Südosten...

Lou Bertalan beim Birden auf und am Wasser

Interessierst du dich auch für Birding in weiter entfernten Regionen wie Südamerika, Asien oder Afrika? Wenn ja, gibt es eine Region oder Art, die du dort unbedingt beobachten möchtest?

Ja, ich würde gerne mal nach Südamerika und nach Afrika südlich der Sahara. Aber da müsste ich mich sehr gut vorbereiten, dort sind lauter Vogelfamilien, die es in der Westpaläarktis gar nicht gibt, ich müsste mich also erst einfuchsen – das wäre natürlich die Herausforderung. Aber ich freue mich ausgesprochen auf Kasachstan und Kirgistan dieses Jahr im Juni – Zentralasien war ein langgehegter Traum, der jetzt in einer Pilotreise mit Birdingtours wahr wird (es sind noch Plätze frei...!). Da sind auch unglaublich schöne Arten zu sehen und dennoch erkennt man auch vieles aus Europa wieder. Außerdem lockt mich die sagenhafte Landschaft der weiten Steppen, Halbwüsten und des Tien-Shan-Gebirges. Als Traumart allgemein steht bei mir immer noch die Reliktmöwe.

Wie gehst du vor, wenn du einen Vogel bestimmen musst, den du noch nicht kennst – insbesondere in anderen Kontinenten? Gibt es bestimmte Werkzeuge, Apps oder Techniken, die dir dabei besonders helfen?

Erstmal muss man den irgendwo einordnen – d.h. ich sollte allgemein über die spezifischen Merkmale der Familien in der entsprechenden Region Bescheid wissen. Dann kommen natürlich Bestimmungsbuch und Apps – „Merlin“ erkennt auch Exoten am Ruf und kann Bilder bestimmen. Allgemein gilt: das Bestimmungsbuch aus der Region so gut wie nur möglich „gewälzt“ zu haben. Aber um schnell zu lernen, ist es sicher sinnvoll, einen erfahrenen lokalen Birder dabei zu haben. Interessanterweise hilft auch die Erfahrung aus Europa, das „Eingucken“ in fremde Arten geht inzwischen viel schneller, weil man allgemein weiß, worauf man besonders achten muss, was wichtig für die Bestimmung ist.

Lou Bertalan erklärt Teilnehmern einer Gruppe die Vögel

Wie erklärst du den Reiseteilnehmern die Vögel, was gehört alles dazu?

Meistens geschieht das spontan anhand dessen, was vor die Linse fleucht: „Achtet mal auf...“ und dann kommen eine Reihe von Erkennungsmerkmalen. Ich gehe sehr gern auch auf die Art, wie ein Vogel fliegt, sich am Boden bewegt, und seine Gestalt ein, erzähle, ob er eher Deckung sucht oder typischerweise eher exponiert auf einem Ansitz die Gegend beobachtet. Bei Rufen und Gesängen versuche ich Wort-Eselsbrücken zu bauen oder Vergleiche zu ziehen. Es fängt natürlich damit an, dass ich mitteile, was für besondere Arten in einem Gebiet zu erwarten sind. Oft bereite ich die Gruppe didaktisch auf schwierige Vogelgruppen vor, bei Limikolen etwa, da gehen wir meist alles vorher gemeinsam im Buch durch. Und ich frage, was ihnen noch schwer fällt bei der Bestimmung oder was sie über diese oder jene Art wissen wollen. Nicht zu unterschätzen ist auch die ständige Wiederholung des „Gelernten“ während einer Tour. Manchmal ermuntere ich dann einzelne Teilnehmer zu sagen, was sie sehen und warum.

Neben Vögeln: Welche anderen Tier- oder Pflanzengruppen faszinieren dich besonders?

Insekten allgemein, aber „eingearbeitet“ bin ich vor allem bei Schmetterlingen (inklusive Nachtfalter) und Heuschrecken. In den letzten Jahren frische ich auch meine botanischen Kenntnisse immer mehr auf. Ich liebe die Hochgebirgsflora, aber prinzipiell interessiert mich alles, was irgendwo wächst – das ist schließlich die Basis eines Biotops.

Wie beeinflussen diese Kenntnisse deine Vogelbeobachtungen?

Na, ich gucke nicht mehr nur nach oben und in die Ferne, sondern immer wieder auch auf den Boden und in nächste Nähe. Wenn man weiß, was sonst noch alles in einem Gebiet wächst und krabbelt oder fliegt, ergibt sich ein viel komplexeres Bild des Lebensraumes – was fressen die Vögel, worauf sitzen sie gerne, wie ist die Bodenbeschaffenheit etc.

Lou Bertalan beim Birden mit Kollege in den Bergen

Welche Ausrüstung nutzt du am liebsten, und wie hat sie sich im Laufe der Jahre verändert? Gibt es ein Gerät, ohne das du nie auf Tour gehen würdest?

Fernglas und Spektiv begleiten mich seit fast zwei Jahrzehnten: das im Vergleich zu den „Swaros“ klobig wirkende Leica Ultravid 10 x 42 Fernglas älterer Generation – ungeheuer robust und unkaputtbar, und genauso robust das Kowa TSN-881 Spektiv, seit ca. 18 Jahren. Das könnte langsam mal ersetzt werden, obwohl es immer noch super lichtstark ist und zuverlässig seine Dienste tut. Mein erstes Spektiv (auch Kowa) war in Rumänien zerbrochen, das jetzige musste ich mal aus der Donau fischen - es schwimmt wunderbar und hatte kein bisschen Feuchtigkeit drinnen. Bei der Fotoausrüstung bin ich neuerdings von der alten D7 auf die R7 von Canon umgestiegen und von den alten Teleobjektiven auf das neue 100-500mm (plus Konverter). All das nehm ich mit „auf Tour“.

Birden oder Fotografieren: Was ist dir lieber? Und glaubst du, dass Fotografieren untrennbar zum Birding dazugehört?

Definitiv Birden. Es ist heute zwar unerlässlich, besondere Beobachtungen fotografisch zu dokumentieren (Seltenheitskomissionen erkennen fast nichts mehr an, was nicht fotografiert oder aufgenommen wurde), daher sollte man immer die Kamera dabei haben. Und auf Birdingtours gehört es dazu, die Reise zu dokumentieren, Fotos für den Reisebericht zu machen etc. Dennoch: für mich behindert das Fotografieren oft den ungestörten Beobachtungsgenuss und man kriegt lange nicht so viel mit, wenn man auf tolle Fotos aus ist. Fotografieren gewinnt auch immer mehr Gewicht bei den Gästen, die großen Superteles sind kaum noch wegzudenken in einer Reisegruppe. Dennoch ermuntere ich meine Gäste ganz oft, einfach nur das Fernglas mitzunehmen (und tue dies selber), wenn wir z.B. frühmorgens rausgehen, um Singvögel zu beobachten. Ich fühl mich dann oft viel freier und besser als mit dem ganzen Klumpatsch um den Hals.

Was ist dein Lieblings- oder Spezialgebiet in der Ornithologie? Gab es ein Schlüsselerlebnis, das dich auf dieses Gebiet gebracht hat?

Womit ich mich seit über 20 Jahren intensiv beschäftige, sind die Möwen – von vielen ungeliebt gerade wegen der Schwierigkeit, sie zu bestimmen. „Es gibt Vögel und es gibt Möwen, Vögel kann man bestimmen“ - der Satz gilt längst nicht mehr. Auf dem Gebiet sind (wie auch sonst in der Ornithologie) in den letzten Jahrzehnten ungeheure Fortschritte gemacht worden und es macht Spaß, diese intelligenten, sozialen und oft individuell erkennbaren Vögel genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Komplexität bei der Bestimmung war vor zwanzig Jahren im Wesentlichen der Anreiz, mich damit zu beschäftigen und darin besser zu werden. Jetzt kriege ich täglich Bestimmungsanfragen und bin in vielen Spezial-Foren unterwegs...

Lou Bertalan in Gedanken im freien Feld - es ist Frühling und das Gras leuchtet saftig grün

Du bist auch im Natur- und Umweltschutz tätig gewesen. Welche Projekte oder Aktionen sind dir besonders in Erinnerung geblieben, und was hat dir daran am meisten Freude bereitet?

Ich war vor allem in jüngeren Jahren viel im NABU unterwegs, war Jugendgruppenleiter und hab mich auch an spektakulären Aktionen ála Greenpeace beteiligt. Das hat schon mal nen Fingerbruch gekostet (auf dem Bundeskongress der NAJU in Erlangen), war aber sehr befriedigend (grins). Auch über die Jahre habe ich mich viel an Biotopschutzmaßnahmen beteiligt, war Zivi im Eriskircher Ried am Bodensee, habe viele Führungen und Brutvogelkartierungen gemacht. U.a. habe ich am ersten kompletten Brutvogelatlas Rumäniens mitgewirkt. Es macht immer Spaß, mit Gleichgesinnten etwas zu tun, was einem wichtig und sinnvoll erscheint. Außerdem macht mich neben der wissenschaftlichen auch die körperliche Arbeit in der Natur glücklich – die Erde zu riechen, zu mähen, mit Holz zu arbeiten – das ist wie bei einem Kind, alle Sinne sind beteiligt!

Welche Themen im Natur- und Umweltschutz liegen dir besonders am Herzen, und warum?

Momentan schaue ich eher global auf die Vernichtung natürlicher Lebensräume und wundere mich über die Einseitigkeit der öffentlichen Debatte: CO2-Fingerabdruck und Klimaverträglichkeit, das verstehen wohl die meisten, aber wenn's um Biodiversität geht, nun ja, deren Wert scheint die breite Bevölkerung nicht wirklich zu begreifen, da die meisten kein ökologisches Verständnis haben, keine persönliche Erfahrung mit Natur und „Wildnis“. Am Herzen liegt mir, dass in Mitteleuropa stärker auf Renaturierung geschaut wird, es braucht viel mehr natürliche (artenreiche) Wiesen, größere Flächen sollten vernässt werden und die Flüsse mehr Auslauf bekommen – alles schwierig zu erreichende Ziele. Was mir große Sorgen bereitet, ist auch die andauernde Verschlechterung des Zustands der Weltmeere sowie die zunehmende Aridität (Trockenheit) in großen Teilen der Welt. Ein weites Feld...

Hast du schon einmal eine Vogelart entdeckt oder dokumentiert, die zuvor noch nicht in einer bestimmten Region beobachtet wurde?

Ja, den Maskenwürger haben wir 2019 mit einer Birdingtours-Gruppe im Donaudelta zum ersten Mal für Rumänien nachgewiesen. Alle selbst entdeckten Seltenheiten sind natürlich aufregend – auch eine Fichtenammer unter hunderten Goldammern bei Stuttgart vor ein paar Jahren.

Lou Bertala Portrait -  unterwegs mit einer Gruppe und Spektiv beim Birden

Du bist für viele bei birdingtours ein wandelndes Lexikon. Gibt es ein Vogelverhalten, das dich auch nach Jahren noch überrascht?

Hm, überraschen ist vielleicht das falsche Wort. Eher bin ich immer wieder fasziniert von all den schier unglaublichen Anpassungsmechanismen und Verhaltensweisen in der belebten Welt: von der Krähe, die eine junge Amsel auf die Straße treibt, um sie hinterher als Steak vom Asphalt zu kratzen bis zum Kesseltreiben der Pelikane mit all den Mitfressern an ihrer Seite, vom nahezu mühelosen Fliegen der Seevögel in Orkanböen bis zum „Ich-bin-nicht hier-Ducken“ der Zwergschnepfe vor unseren Füßen. All das macht mich demütig. Es freut mich, dabei zu sein, ein Teil dieser Vielfalt zu sein.

Was macht für dich die Faszination Vögel aus, und wie hast du dieses Wissen so tief verankert?

Vögel fliegen. Sie bewegen sich dreidimensional. Sie sind die Wirbeltiergruppe, die alle Flächen der Erde besiedelt hat. Sie können wunderbare Laute und Gesänge von sich geben. Sie sind die Weiterbildung einiger Dinosauriergruppen und knüpfen damit direkt an die Großtierfauna des Erdmittelalters an. Sie sind auch die Tiergruppe, die am leichtesten und unmittelbarsten von uns Menschen beobachtet werden kann, praktisch überall. Und von wegen Wissen – jede und jeder, der sich auf einem Gebiet auskennt, weiß auch, wieviel er/sie nicht weiß und wieviel noch zu lernen ist. Viel Erfahrung kommt aus direkter Anschauung in der Natur, in Kombination mit Büchern, neuerdings auch Apps, aber auch aus Foren und Artikeln, die heute durchs Internet viel schneller zugänglich sind.

Wie verbringst du privat Zeit auf dem Feld der Ornithologie oder Biologie? Gibt es Projekte oder Hobbys, die dich besonders erfüllen?

Ich muss gestehen, dass ich viel zu viel im Netz hänge und virtuell mit anderen Birdern oder Naturinteressierten kommuniziere, statt mehr raus zu gehen. Aber natürlich bin ich auch hier in Stuttgart viel draußen. Es gibt und gab immer wieder „Privatprojekte“ - von einer Datenbank, die inzwischen durch die öffentlichen Datenbanken obsolet geworden ist (zumindest sind die Daten dann eingeflossen), bis hin zu der Website, in der ich nur die zwei Arten Mittelmeermöwe und Steppenmöwe anhand von Bildern aus Rumänien analysiert habe. Auch das liegt längst auf Eis. Ich mag Quizze - zur Zeit mach ich eifrig bei einem fortlaufenden niederländischen Quiz über Tiere und Pflanzen mit und versuch dabei noch etwas Holländisch zu lernen. Viel Zeit hab ich damit verbracht, Vögel und Schmetterlinge in rumänischen Foren zu bestimmen und zu besprechen – das fand ich lange Zeit spannender als die Community in Westeuropa, da in dem Land noch weniger „erforscht“ ist und weniger Leute sich damit beschäftigen – die aber zum Teil sehr intensiv. Naja, schließlich bin ich auch da geboren.

Zum Abschluss: Gibt es ein Motto oder eine Lebensphilosophie, die dich begleitet?

Klingt sicher hochtrabend oder überheblich, aber mir fiel gestern diese Aussage ein: „Neugierig am steten Wandel teilhaben“ – das wäre ein Lebensgrundsatz.

3 neue birdingtrips mit Jakob Wildraut:

Das könnte Sie auch interessieren


Matthias von den Steinen

Matthias von den Steinen ist ein beliebter Reiseleiter bei birdingtours. Er führt zahlreiche Reisen weltweit. In diesem Interview gibt er Einblicke in die Reise Mallorca im Herbst.

Interview mit Alon Mekinulov & David Stenitzer

David ist leidenschaftlicher Wildtier- und Naturfotograf und Alon ist der geborene Artenschützer. Beide leiten spektakuläre Fotoreisen bei birdingtours. Interview ansehen >

Albert Voigts - Ein Interview mit dem passionierten Reiseleiter & Multitalent

Im Interview mit Reiseleiter Albert Voigts erfahren Sie, warum Namibia ein Paradies für Vogelbeobachter ist, was seine Reisen mit birdingtours einzigartig macht und wie seine Leidenschaft fürs Zeichnen die Erlebnisse bereichert. Ein Blick hinter die Kulissen einer faszinierenden Naturreise!